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Teltow-Fläming - Die Ostdeutsche Eisenbahn Gesellschaft (Odeg) ist zum zweitgrößten Bahnbetreiber der Region aufgestiegen. Über Züge, Personal und Prinzipien spricht Vorstandsvorsitzender Arnulf Schuchmann mit Alexander Engels.

MAZ: Dem Chef der Odeg sieht man die Bahn-Affinität gar nicht an – auch nicht Ihrer offiziellen Biografie. Sind Sie mehr Bahner oder Unternehmensberater?

Arnulf Schuchmann: Ein Bahner, also von der Deutschen Bahn, bin ich nicht. Aber als Unternehmensberater war ich für diverse Verkehrsunternehmen im Regionalen wie im Fern-und Güterverkehr tätig, viele Jahre auch für DB-Regio. Beraten habe ich zum Beispiel die indonesische Eisenbahn in Jakarta mit zehn Millionen Fahrgästen täglich. Ich war in Hongkong und in Barcelona tätig und zuletzt bei der Berchtesgadener Landbahn.

Wie passt das denn zusammen?

Schuchmann: Das war eine Beteiligung der Salzburger Lokalbahn, bei der ich kaufmännischer Direktor war. Das ist ein Unternehmen wie Stadtwerke klassischer Prägung mit Verkehrsbereich, Energie, Wasser und Abwasser. Dazu gehörten Lokalbahnen etwa ein Ast der Salzburger S-Bahn und eine Schmalspur-Regionalbahn – quasi einmal rund um den Kirchturm. Da passte die Berchtesgadener Landbahn gut hinein.

Wie kam es zum Sprung nach Ostdeutschland?

Schuchmann: Ich habe mir 2010 ein halbes Jahr als Privatier genommen. Damals sprachen mich die Gesellschafter der Odeg an. Im Januar 2011 wurde ich Berater und im September Geschäftsführer.

Ist jetzt Berlin Ihr Kirchturm, den Sie umfahren?

Schuchmann: Nein, das ist schon eine andere Klasse. Von Berlin bis Wismar haben wir 250 Kilometer Strecke, bis nach Cottbus 125 Kilometer. Das ist die weite Strecke vom RE2. Selbst der RB33 von Jüterbog nach Wannsee kann Probleme bereiten. Als eine Bahn im vorigen Winter in Treuenbrietzen liegen blieb, brauchte die Notbereitschaft von Berlin aus trotz Blaulicht noch eineinhalb Stunden.

Die Odeg ist enorm gewachsen – auf mehr als 400 Beschäftigte. Wie kommen Sie mit so einer Expansion klar?

Schuchmann: Die Regionalexpresslinien 2 und 4 zu bekommen, war wichtig. Wir können jetzt erstmals von einem Liniennetz der Odeg sprechen. Vorher hatten wir vier eher unverbundene Teilnetze. Dafür mussten wir am Berliner Standort eine neue Leitstelle einrichten – weil Berlin in der Mitte liegt, nicht weil es die Hauptstadt ist.

Was für Vorteile bringt Ihnen so ein Netz?

Schuchmann: Auf der Karte sieht es gut aus. (lacht) Nein, wir sind in der Tat flexibler geworden. Vor allem unser Servicepersonal können wir quasi universal einsetzen – was nicht heißt, dass ein Mitarbeiter aus Mecklenburg jetzt in der Lausitz arbeiten würde. Bei den Triebwagenführern sind wir nicht ganz so flexibel, weil nicht jeder eine Ausbildung und die nötige Routine für unsere vier Zugtypen hat.

Sie nannten die Leitstelle. Wie groß ist sie?

Schuchmann: Unsere alte Organisationsstruktur stieß an ihre Grenzen. Jetzt gibt es zum Beispiel drei Verantwortliche in der Leitstelle: Der Fahrzeug-Disponent ist für den Einsatz der Technik verantwortlich. Der Personal-Disponent teilt Triebwagenführer und Servicemitarbeiter ein. Und der Informationsmanager sorgt dafür, dass die Fahrgäste über mögliche Störungen in Kenntnis gesetzt werden. Aber auch das Notfallmanagement musste angesichts der Netzgröße neu aufgestellt werden.

Ihre Zugbegleiter auf den RE-Linien sind überwiegend neue, angelernte Kräfte. Es gibt Beschwerden, dass sie sich mit Strecke und Tarifen nicht gut auskennen. Warum beschäftigen Sie keine erfahrenen Bahn-Schaffner?

Schuchmann: Für beide Linien brauchten wir auf einen Schlag 65 Mitarbeiter, die wir nicht aus dem eigenen Kontingent stellen konnten. Ich habe viele Anläufe bei der Deutschen Bahn unternommen – über die Geschäftsführung, den Betriebsrat und sogar die Gewerkschaft –, damit die Zugbegleiter sich bei uns bewerben. Wissen Sie, wie viele Bewerbungen ich erhielt? Keine einzige. Aber denken Sie nicht, dass DB-Mitarbeiter grundsätzlich besser im Job sind als unsere Zugbegleiter. Ich fahre fast täglich in unseren Zügen und bekomme daher regelmäßig mit, wie die Ansagen sind oder wie mit Fahrgästen umgegangen wird. Und wenn eine schwierige Situation gemeistert wird, lobe ich das. Man muss seinen Mitarbeitern den Rücken stärken.

Sind sie auf den Strecken denn auch ortskundig?

Schuchmann: Die meisten Mitarbeiter haben eine natürliche Ortskenntnis, weil sie in den Landstrichen wohnen. Das ist der Vorteil im Nahverkehr. Ihr Arbeitstag beginnt und endet im Heimatort.

Wie läuft die Ausbildung?

Schuchmann: Für den Job sollte man den Servicegedanken im Blut haben. Die Ausbildung dauert dann gute zwei Monate. Sie enthält zum Beispiel eine mehrwöchige Tarif-Schulung, ein Ansagetraining, Formularkunde und auch Kurse in Konfliktbewältigung, schließlich müssen die Mitarbeiter im Zug auch das Hausrecht der Odeg durchsetzen können. Nach der Abschlussprüfung erhalten sie ein Zertifikat des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg.

Den Privatbahnen werden Niedriglöhne unterstellt. Zahlt die Odeg nach Tarif?

Schuchmann: Bei uns gilt seit 1. Januar 2012 ein Tarifvertrag mit der GDL und der EVG*. Davor hatten wir nur einen Tarifvertrag mit der EVG, die die meisten Mitglieder in der Bahnbranche hat. Für die Servicemitarbeiter ist es ein Branchentarif, der deutschlandweit gleich ist.

Vergüten Sie genauso gut wie die Deutsche Bahn?

Schuchmann: Eine pauschale Antwort wäre da nicht sachgerecht. Der Durchschnittsbahner hat ein höheres Einkommen, weil lange Betriebszughörigkeit und Familienstand da reinspielen. Wir zahlen einem Berufseinsteiger sicher nicht weniger. Außerdem musste die Bahn vor wenigen Jahren auf Druck des Bundes und der Gewerkschaften die Ost- an die Westlöhne angleichen.

Das finden Sie falsch?

Schuchmann: Nur für den Vergütungsvergleich und die politische Diskussion. Die Lebenshaltungskosten sind in Ostdeutschland doch viel niedriger als in München oder Frankfurt. Da muss ein bedarfsbezogener Vergleich zwischen Regionen erlaubt sein.

Noch mal in die Region: Wann sind endlich alle „Kiss“-Züge auf der Schiene?

Schuchmann: Beim RE4 fahren schon vier, der Fünfte folgt in Kürze. Dann ist diese Linie komplett. Weitere vier Züge für den RE2 will Stadler bis Anfang März liefern – wir wollen aber sechs. Die restlichen fünf Züge sollen bis Mitte April folgen.

Was waren die Mängel, die alles verzögerten?

Schuchmann: Diverse Dinge. Zum Beispiel gab es Schwierigkeiten mit der Türsteuerung beim Betätigen der Notbremse. Dann dürfen die Türen nicht auf offener Strecke zu öffnen sein, sondern der Zug muss erst bis in den nächsten Bahnhof fahren. Auch so etwas Simples wie die Beschriftung von Schaltern war nicht korrekt – das ist bei neuen Triebfahrzeugführern auf neuen Loks schon wichtig. Außerdem taucht immer wieder mal der Fehler auf, dass es zur Zwangsbremsung wegen eines angeblich überfahrenen Rotsignals kommt, obwohl Grün war. Einmal ist uns bei einer Test- oder Schulungsfahrt ein Stromabnehmer mitten im Flughafentunnel kaputtgegangen. Fugenmaße stimmen nicht, Verkabelungen sind fehlerhaft …

Also nie wieder Stadler als Hersteller?

Schuchmann: Die anderen Hersteller glänzen auch nicht gerade. Die Probleme sind für alle gleich und Mängel an der Tagesordnung. Leider findet die finale Fahrzeugerprobung inzwischen beim Kunden statt. Das kostet Zeit, Geld und Nerven. Hätten wir einen Ersatzfuhrpark wie die Deutsche Bahn, hätte ich den „Kiss“ bis heute nicht abgenommen.

*GDL: Gewerkschaft Deutscher Lokmotivführer; EVG: Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft.

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MAZ